Bizarr, beängstigend und doch ganz normal: das Doppelgängerphänomen. Was steckt dahinter, wenn Menschen sich in ihrem Doppelgänger selbst erkennen?
Seinen Doppelgänger zu sehen, kann aufregend sein und ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch was, wenn der vermeintliche Doppelgänger man selbst ist? Unmöglich? Keinesfalls! Schon Goethe sah sich doppelt. Und er ist bei Weitem nicht der Einzige geblieben. Zahlreiche Menschen machten und machen ebenfalls diese Erfahrung, die heute als Doppelgängerphänomen bekannt ist. Urplötzlich, und oftmals ohne Vorwarnung, nehmen sie sich selbst ein zweites Mal wahr – von innen und von außen. Betroffene können mitunter nicht mehr unterscheiden, wer sie denn nun eigentlich sind. Viele interpretieren das Trugbild der Psyche als Todesboten und glauben, sie würden eine Out-of-Body-Erfahrung machen – sie sehen sich selbst von oben oder wie in einem Spiegel. Ist das Doppelgängerphänomen an sich schon ungewöhnlich genug, dürfte aber eine Tatsache noch mehr erstaunen: Menschen, die sich gleich zwei Mal wahrnehmen, müssen nicht zwangsläufig "verrückt" sein.
Das Doppelgängerphänomen: Auch Gesunde sind davor nicht gefeit
Auch Gesunde können diese ungewöhnliche Erfahrungen mit ihrem Doppelgänger machen, so Dr. Peter Brugger, Leiter der Neuropsychologischen Abteilung am Universitätsspital Zürich. Im Grunde reiche es schon aus, wenn man stark übermüdet sei oder unter ständigem Stress leide, und schon könne das immaterielle Abbild seiner selbst aus dem Nichts auftauchen. Das Doppelgängerphänomen ist sogar so weit verbreitet, dass in etwa einer von zwanzig Menschen mindestens ein Mal im Leben Bekanntschaft mit seinem ganz eigenen Doppelgänger macht, das schätzt Olaf Blanke, Leiter einer Forschungsgruppe für Kognitive Neurowissenschaft an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne.
Was sind die Ursachen für das Doppelgängerphänomen?
Doch wie kommt es zu diesem seltsamen Phänomen? Was sind die Ursachen und kann man verhindern, aufgrund des Doppelgängerphänomens den Verstand zu verlieren? Einige Forscher gehen davon aus, dass das Gehirn eine Art Gedankenprojektion vornimmt – ausgelöst durch akuten Stress. Erinnerungen an Orte, Situationen und Sinneswahrnehmungen werden dann nach außen projiziert. Für das menschliche Gehirn eine der leichtesten Übungen, denn auch im normalen Alltag können wir uns dank Erinnerungsbilder gedanklich in bestimmte Situationen versetzen. Aber auch Vorerkrankungen können eine Rolle spielen.
Bei Migränepatienten zum Beispiel kann das Doppelgängerphänomen als Begleiterscheinung ihres "Anfalls" auftreten. Und selbst Philosophen, die sich allzu sehr mit Sinnesfragen beschäftigen, können derartige Erfahrungen machen. Der weitaus seltenere Fall ist, dass das Doppelgängerphänomen als Wahnvorstellung interpretiert werden kann. Eine Psychose entwickelt sich erst dann, wenn Betroffene nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Vision unterscheiden können. Da das Doppelerleben bei den meisten aber nur Sekunden dauert, besteht im Grunde keine Erkrankungsgefahr. Gefährlich wird es nur dann, wenn der Doppelgänger gar nicht mehr von der Seite weicht und das Doppelgängererleben sich über Wochen zieht. Dauerzustände dieser außergewöhnlichen Erfahrung können Betroffenen bis in den Suizid treiben.
Quellenangabe:
Weger, Ulrich (2000): "Das fremde Selbst". (Stand 22.06.2010).
Löwer, Chris: "Das unheimliche zweite Ich". In: P.M., 07 (2010), S. 56-61.
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